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„Natürlichkeit ist kein gutes Kriterium für Umweltschutz“

Ein Gespräch mit Robert Hoffie

Sie sind Mitgründer der Initiative „Progressive Agrarwende“. Aus welchen Gründen wurde die Initiative gegründet? 

In der Initiative haben sich junge landwirtschaftlich und wissenschaftlich interessierte Menschen aus verschiedenen Fachrichtungen zusammengefunden. Wir haben festgestellt, dass die Diskussionen um das landwirtschaftliche System sehr einseitig sind und nicht entlang neuer Erkenntnisse geführt werden. Vielmehr werden die falschen Schwerpunkte gesetzt. Aus diesem Grund haben wir die Initiative gegründet. Wir sehen uns in einer Vermittlerrolle. Unser Ziel ist es, neue Perspektiven in der Debatte um Landwirtschaft zu schaffen und unterschiedliche Akteure, die sich kontrovers gegenüberstehen, zusammenzubringen. Wir wollen damit eine echte Weiterentwicklung der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit bewirken. 

Welche Probleme sehen Sie in der aktuellen Debatte um die Landwirtschaft und wie möchte die Initiative dagegen wirken?

Sehr häufig beobachten wir, dass all das kritisiert wird, was als unnatürlich und künstlich gilt. Im Umkehrschluss wird der heutige Ökolandbau häufig als natürliche Lösung angepriesen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit oder des Umweltschutzes ist Natürlichkeit aber kein gutes Kriterium, um zu entscheiden, ob etwas gut oder schlecht ist. Da muss man andere Kriterien wie Energieverbrauch, Flächenverbrauch, Treibhausgasemissionen pro produzierter Einheit anlegen. In unserer Initiative versuchen wir genau diese Sichtweise einer messbaren – evidenzbasierten – Nachhaltigkeit in die Debatte mit einzubringen. 

„Wir benötigen weiterhin hohe Erträge, müssen aber die Inputs wie Dünger und Pflanzenschutzmittel reduzieren. Dabei darf der Flächenverbrauch aber nicht erhöht werden – er ist in der Landwirtschaft der Haupttreiber des Biodiversitätsverlusts.“

Was sind konkrete Forderungen, um eine nachhaltigere Landwirtschaft zu erreichen? 

Die Grundlage für alle konkreten Forderungen ist evidenzbasierte Nachhaltigkeit – also nicht nach Gefühlen zu entscheiden. Es braucht eine nachhaltige Intensivierung: Das heißt wir benötigen weiterhin hohe Erträge, müssen aber die Inputs wie Dünger und Pflanzenschutzmittel reduzieren. Dabei darf der Flächenverbrauch aber nicht erhöht werden – er ist in der Landwirtschaft der Haupttreiber des Biodiversitätsverlusts. Deshalb braucht es intelligente Innovationen aus verschiedenen Bereichen: Im Bereich Pflanzenzüchtung ist das Biotechnologie, also gentechnische Züchtungsverfahren. Auch in der Nahrungsproduktion kann Biotechnologie angewendet werden, beispielsweise bei der Herstellung von Fleischalternativen. Im Bereich Robotik werden intelligente Landmaschinen entwickelt, die genauer arbeiten und weniger Auswirkungen auf Nichtzielorganismen haben als Pflanzenschutzmittel. Es gibt nicht die eine Sache, die alle Probleme löst. All diese verschiedenen Ansätze müssen miteinander kombiniert werden.

Insbesondere grüne Gentechnik in der Pflanzenzüchtung wird häufig als Möglichkeit genannt, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Inwiefern? 

Wenn wir über die Weiterentwicklung der Landwirtschaft reden, kommt der Pflanzenzüchtung eine sehr wichtige Bedeutung zu. Europa hat sich als politisches Ziel gesetzt, den Pflanzenschutzmittelbedarf stark zu reduzieren. Um das zu erreichen, müssen die Pflanzen dementsprechend angepasst werden und durch Resistenzzüchtung weniger anfällig für Krankheiten werden. Dafür gibt es verschiedene Methoden, eine davon sind gentechnische Verfahren. Diese sind besonders effektiv. Nachdem man ein Resistenzgen identifiziert hat, kann man durch gentechnische Methoden wie CRISPR gezielt Gene ansteuern und schneller als bei herkömmlichen Methoden für die Züchtung nutzbar machen. 

„Es braucht ein Gentechnikrecht das sinnvolle Anwendungen dieser Technologien ermöglicht, um bestenfalls gemeinwohlorientiert und entsprechend der Nachhaltigkeitsziele der EU für die Pflanzenzüchtung nutzbar macht.“

Welche Herausforderungen gibt es in Deutschland bei der Nutzung von grüner Gentechnik für die Pflanzenzüchtung?

Durch das europäische Gentechnikrecht haben wir aktuell einen gesetzlichen Rahmen, der grüne Gentechnik pauschal behindert. Der Zulassungsprozess ist sehr aufwendig, wodurch die Technologie momentan für Züchtungsfirmen kaum umsetzbar ist. Und das obwohl diese Pflanzen und Methoden genauso sicher sind, wie klassische Züchtungsverfahren. Es braucht ein Gentechnikrecht das sinnvolle Anwendungen dieser Technologien ermöglicht, um bestenfalls gemeinwohlorientiert und entsprechend der Nachhaltigkeitsziele der EU für die Pflanzenzüchtung nutzbar macht. 

Und welche gesellschaftlichen und kommunikativen Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf grüne Gentechnik?

Die gesellschaftliche Akzeptanz ist ganz zentral und grüne Gentechnik ist natürlich ein sensibles Thema. Denn am Ende betrifft es die Nahrungsmittel, die wir täglich essen. Entsprechend kann man auch verstehen, dass Menschen dabei emotional sind und häufig auf ihr Bauchgefühl hören. Hier setzten wir mit unserer Initiative durch Wissenschaftskommunikation an. Wir informieren, wie Pflanzenzüchtung bisher abgelaufen ist und erklären Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten zu gentechnischen Verfahren, um den Kontext zu den gesellschaftlich viel diskutierten Fragen herzustellen. Dabei gehen wir auch auf kritische Punkte ein, damit ein konstruktiver Diskurs entstehen kann. Nur so kann jeder ein rationales Urteil fällen. 

Inwieweit hat der aktuellen Krieg den Diskurs um eine notwendige Agrarwende verändert?

Mein Eindruck ist, dass – im Zuge der Nahrungsmittelverknappung durch den Ukraine Krieg – stärker ins Bewusstsein gerufen wurde, wie fragil das Ernährungssystem ist. Wenn die Lieferungen von zwei großen Produzenten ausfallen, ist das Ernährungssystem für weite Teile der Welt nicht mehr gesichert. Es zeigt, dass die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln nicht selbstverständlich ist und was für eine wichtige Rolle Landwirtschaft in Europa und global spielt. Meine Hoffnung ist, dass dadurch konstruktiver und ergebnisoffener darüber diskutiert wird, wie man die Nahrungsmittelproduktion sicherer und gleichzeitig nachhaltiger gestalten kann, um mehr Ernährungssicherung zu erreichen. Das kann gelingen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse ausreichend Beachtung finden. Das wäre das, was wir uns unter einer Progressiven Agrarwende vorstellen.

Zur Person

Robert Hoffie ist Mitgründer der Initiative „Progressive Agrarwende und Doktorand am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung 

Foto: privat

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