Weizenfeld
Foto: Kira Hoffmann / Pixabay

Basis einer guten Landwirtschaft oder Verschwendung wichtiger Flächen

zu Ökolandbau und Ernährungssicherung

„Der Biomarkt ist die Antwort auf die Krise“, sagte Cem Özdemir, Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung, beim Treffen der G7-Agrarminister im März 2022. Wegen der sich verschärfenden Hungerkrise durch den Ukraine-Krieg diskutieren Politiker*innen verschiedene Maßnahmen, um in Europa höhere Ernteerträge zu erzielen und dabei wird immer wieder eine Forderung laut: Den Ökolandbau langsamer ausweiten als geplant, weil mit konventioneller Landwirtschaft höhere Erträge zu erzielen seien. Die Wissenschaft diskutiert diese Maßnahme kontrovers.

„Ich halte es für keine gute Idee den Ökolandbau großflächig hochzufahren.

Prof. Dr. Matin Qaim, Leiter des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn

„Ich halte es für keine gute Idee den Ökolandbau großflächig hochzufahren – nicht erst seit dem Ukraine-Krieg, sagt Prof. Dr. Matin Qaim, Agrarökonom und Leiter des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn. Sein Hauptargument: Ökolandbau liefert pro Fläche geringere Erträge als konventioneller Landbau. So ernten Biobauern laut einer Studie der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft nur halb so viel Getreide, wie Bauern, die nach konventionellen Methoden anbauen. Gerade in der aktuellen Krise hält Qaim es für unabdingbar möglichst ertragreich anzubauen, damit Europa seiner Verantwortung für die Welternährung gerecht werden könne.

„Es wird vollkommen überschätzt, was ein verlangsamter Ausbau ausmachen würde.

Prof Dr. Gerold Rahmann, Leiter des Instituts für Ökologischen Landbau am Johann Heinrich von Thünen-Institut

Der Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Gerold Rahmann sieht das anders. Er hat selbst lange als Landwirt gearbeitet und leitet nun das Institut für Ökologischen Landbau am Thünen-Institut: Es wird vollkommen überschätzt, was ein verlangsamter Ausbau ausmachen würde. In der Regel würden nicht die besonders ertragreichen Flächen auf Ökolandbau umgestellt, da die Landwirt*innen damit konventionell mehr erwirtschaften könnten. Würde der Ausbau des Ökolandbaus so vorangetrieben wie bisher, würde sich die Weizenernte in Deutschland bis 2030 nur um “einen Bruchteil” verringern. Deutschland sei hier ein ganz kleines Licht.

Özdemir spricht immer wieder davon, dass die Klima- und Biodiversitätskrise nicht gegen die Hungerkrise ausgespielt werden dürften. Dem entgegnet Matin Qaim: Die Annahme, dass der Ökolandbau besser fürs Klima ist, stimmt nicht, wenn wir das Problem global betrachten.Er verweist auf eine Studie in der Wissenschaftler*innen der Cranfield University in England modelliert haben, wie es sich auf das Klima auswirken würde, wenn England und Wales nur noch ökologische Landwirtschaft betreiben würden. Demnach würden die CO2-Emissionen zwar lokal sinken, aber global gesehen steigen, weil die geringeren Erträge in anderen Ländern ausgeglichen würden. Dort würden für größere Anbauflächen etwa Regenwälder abgeholzt. 

Genauso essen wie vorher, aber alles öko wird nicht funktionieren.

Prof. Dr. Gerold Rahmann, Leiter des Instituts für Ökologischen Landbau am Johann Heinrich von Thünen-Institut

Gerold Rahmann sieht diese Studie kritisch. Zunächst ließe sich unsere Biodiversität und unser Grundwasser nur bei uns vor Ort schützen – und zwar durch ökologischen Landbau. Gesamtgesellschaftliche Kosten, wie der Verlust an Grundwasser oder Artenvielfalt würden nicht berücksichtigt. Er könne sich zwar vorstellen, dass die Zahlen bei den heutigen Konsummustern stimmen. Ökolandbau sei aber ein Gesamtkonzept, was auch einen anderen Konsum einbezieht, etwa weniger Fleischkonsum. „Genauso essen wie vorher, aber alles öko wird nicht funktionieren“, mahnt er.

„Der Ökolandbau sollte sich gegenüber neuen Technologien nicht verschließen.

Prof. Dr. Matin Qaim, Leiter des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn

Einer nachhaltigen und sicheren Welternährung kann der zertifizierte Ökolandbau, wie er jetzt existiert, nicht dienen, da stimmen Qaim und Rahmann über ein. Sie schlagen Konzepte vor, in denen die Trennlinie zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft verwischt wird. Für Matin Qaim muss die Landwirtschaft der Zukunft die Anbaufläche möglichst effizient nutzen, indem sie Chemie durch neue Technologien ersetzt – wie grüne Gentechnik und digitale Steuerungen aus dem sogenannten „Smart Farming“. Gleichzeitig solle sie, wie im Ökolandbau üblich, mit einer vielfältigen Fruchtfolge arbeiten. Er will das Beste aus den verfügbaren Werkzeugen vereinen und fordert: „Der Ökolandbau sollte sich gegenüber neuen Technologien nicht verschließen“.

Rahmann sieht den Ökolandbau als Basis unserer weltweiten Landwirtschaft. Gerade in Entwicklungsländern schafften Pestizide vor allem Abhängigkeiten. In einem Projekt der Bundesinitiative „Eine Welt ohne Hunger” in Äthiopien konnten mit Methoden aus dem Ökolandbau die Landwirt*innen dort ihre Erträge verdoppeln. Rahmann leitete das Projekt. Allerdings sei das kein Ökolandbau gewesen, wie er hier zertifiziert werden würde, sondern konventionelle Landwirtschaft, die mit „Tricks“ aus dem Ökolandbau erweitert wurde. Um die Ertragslücke zwischen Ökolandbau und konventioneller Landwirtschaft zu verkleinern, wünscht er sich mehr Geld für Forschung am Ökolandbau. Das fordert auch die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, die Forschung sei „strukturell unterfinanziert.“ Rahmann sagt dazu: „Kein Wunder, dass die konventionelle Landwirtschaft so viel effizienter ist“.

Laut beiden Wissenschaftlern setzt eine nachhaltige Welternährung eines voraus: Unser Lebensmittelkonsum muss sich ändern. Sie fordern dazu auf, weniger Fleisch zu essen und möglichst keine Lebensmittel zu verschwenden.

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