Sie haben in einem Forschungsprojekt von 2017 bis 2021 die Diskussionen zu Fracking in Polen, Deutschland und Frankreich verglichen. Wie sind Sie da vorgegangen?
Fracking ist in all diesen Ländern etwa ab 2010 bis 2015 ein großes Thema geworden. Nach einer ersten Sondierung ist uns schon aufgefallen, dass die Debatten sich in einigen Punkten deutlich unterscheiden. Die wollten wir uns genauer anschauen. Wir haben uns zuerst das institutionelle Gerüst in den jeweiligen Ländern angesehen: Wer ist zuständig, welche Behörden und welche Unternehmen sind aktiv? Danach haben wir in einer qualitativen Medienstudie zahlreiche Medienbeiträge analysiert. Dazu kamen die verschiedenen Gutachten, die in den drei Ländern erstellt wurden: Wer hat sie beauftragt? Wer hat sie durchgeführt? Wie wird darin argumentiert? In einem dritten Schritt wollten wir eigentlich Vor-Ort-Fallstudien machen, um die lokalen Konfliktverläufe besser zu verstehen. Wegen der Corona-Pandemie konnten wir nicht nach Polen und Frankreich reisen, und auch in Deutschland war das dann nur sehr eingeschränkt möglich.
Was war in Frankreich anders als in Polen und in Deutschland?
In Frankreich begann die öffentliche Debatte mit ersten staatlichen Bohrgenehmigungen Anfang 2010. Das erfolgte durchaus regelkonform, aber dabei wurden die Departments und lokale Administrationen der Regionen nicht einbezogen, in denen die Bohrungen stattfinden sollten. Der Konflikt lief sofort entlang der in Frankreich klassischen Linien: Zwischen dem zentral organisierten Staat, der Entscheidungen trifft, und den Departments und regionalen Gebieten, wo diese Entscheidungen umgesetzt werden sollen. Die Geschwindigkeit und Stärke, mit der sich der Protest entwickelte, hatte mehrere Ursachen: Genehmigungen in Südfrankreich betrafen zufällig Gegenden, die aus früheren Auseinandersetzungen über wohl etablierte Proteststrukturen und prominente ökologische Kritikerpersönlichkeiten verfügten. Hinzu kam eine leicht aufrufbare und weit verbreitete ‚Anti-USA-Haltung‘ in Frankreich. Ein Film wie „Gasland“ konnte viele gegen Fracking mobilisieren. In dieser Zeit standen außerdem mehrere entscheidende Wahlen auf nationaler Ebene an. Einige Wahlkreise von bekannten Politiker*innen lagen in den betroffenen Departments. Die wollten ihre Wähler*innen beschwichtigen. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass die Politik sehr schnell zurückgerudert ist. Es wurde dann – wie das in Frankreich üblich ist – auf nationaler Ebene ein Bericht erstellt: Dabei erheben Abgeordnete auf Basis von Befragungen aller Protagonisten – also der Politik, der Industrie, Verwaltung, Wissenschaft, NGOs und Bürger*inneninitiativen – ein Stimmungsbild. Daran anschließend ist sehr schnell der Beschluss gefasst worden, dass Fracking verboten werden soll. Dieser Beschluss ist seitdem ziemlich stabil geblieben.
Wie sah die Debatte in Polen aus?
In Polen wurde das größte Schiefergasvorkommen innerhalb Europas prognostiziert. Unternehmen – etwa aus den USA – hatten bei den Behörden die entsprechenden Genehmigungen für Bohrungen beantragt und haben diese zum Teil sehr schnell bekommen. Beschleunigt wurde das durch zwei Besonderheiten: Polen wollte zum einen seine Energieautonomie gegenüber Russland stärken und entsprechende Importe verringern, und zum anderen den Kohleeinsatz verringern, um den EU-Auflagen zum Klimaschutz besser nachzukommen. Das Schiefergas schien beide Probleme ein Stück weit lösen zu können. Es gab zwar Proteste, aber die waren vergleichsweise klein und in einem Bruchteil der betroffenen Regionen. Das Vorhaben ist dann sehr schnell in sich zusammengefallen: Die behördlichen Genehmigungsverfahren liefen nur sehr schleppend. Die ersten durchgeführten Bohrungen zeigten, dass es viel weniger Gasvorkommen gab als zunächst geschätzt. Und dann sind noch die internationalen Energiepreise gefallen, was die Gewinnerwartungen der Industrie senkte. Das hat die Schiefergasgewinnung in Polen – die ja doch wie überall hohe und langfristige Investitionen erfordert – dann endgültig unattraktiv für die Unternehmen gemacht. Diese zogen sich nach einigen Bohrungen schnell zurück – trotz erwartbaren und erteilten Genehmigungen, trotz großer öffentlicher und politischer Zustimmung.
Wie würden Sie die Auseinandersetzungen in Deutschland beschreiben?
Um 2010 haben die ersten Unternehmen Anträge für Probebohrungen gestellt. Daraufhin gab es sehr schnell Proteste aus verschiedenen Richtungen und deutschlandweit Gründungen von kommunalen bzw. lokalen Initiativen gegen Fracking. Protestiert haben nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Unternehmen, die sauberes Wasser für ihre Produkte benötigen, aber auch Kommunen und lokale Politik, etwa aus Sorge um die Trinkwasserversorgung. Ein Grund war, dass die Genehmigungen zwar dem Bergrecht folgend regelkonform, aber doch sehr schnell und ohne weitere Bürgerbeteiligung oder Umweltprüfungen erteilt wurden. Die Bürgerinitiativen konnten mit Bildern aus den USA über Probleme im Zusammenhang mit Fracking die breite Öffentlichkeit mobilisieren. Daraufhin hat die Politik die Verfahren erstmal angehalten, bevor die Bohrungen beginnen konnten. Exxon Mobile initiierte ab Sommer 2012 einen längeren Bürgerinfodialog zum Thema Fracking und versuchte darin, die kritischen Stimmen von der Sicherheit und Unbedenklichkeit der Technologie zu überzeugen.