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Lohnt Fracking in Deutschland?

Energetische Potenziale von Gas-Fracking

Deutschland befindet sich in einer Energiekrise. Um russische Energieimporte zu reduzieren, sucht die Bundesregierung nach Alternativen. Auch die Förderung von Schiefergas mithilfe von Fracking wird diskutiert. Doch wie viel Schiefergas gibt es eigentlich? Und: Könnte Fracking einen kurzfristigen Beitrag zur Lösung der Energiekrise leisten?

Kommerzielles Fracking von Gas ist seit 2017 in Deutschland verboten. Die Bundesregierung hat jedoch insgesamt vier Probebohrungen genehmigt, die von Unternehmen unter wissenschaftlicher Aufsicht durchgeführt werden können. Diese Bohrungen wurden bisher nicht in Anspruch genommen.

Wie viel Schiefergas genau sich im unterirdischen Gestein befindet, ist daher unklar. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat in einem Bericht 2016 die potenziellen Schiefergasvorkommen in Deutschland berechnet und geht von einem Gasvorkommen von 320 bis 2030 Milliarden Kubikmeter aus, das technisch gefördert werden könnte – die enorme Spanne zeigt, wie unklar die Lage ist.

Neue Energiepotenziale durch Fracking? 

Da nicht sicher ist, wie viel Schiefergas sich tatsächlich im Boden befindet und wie viel gefördert werden könnte, ist umstritten, wie lange Deutschlands Energiebedarf damit gedeckt werden könnte. Um mögliche Potenziale von Fracking einzuschätzen, ist es wichtig, zwischen Reserven und Ressourcen zu unterscheiden. Bei Ressourcen handelt es sich, laut Umweltbundesamt, um Vorkommen, die wirtschaftlich (noch) nicht förderbar oder verlässlich ausgewiesen sind. Reserven beschreiben die nachgewiesenen und wirtschaftlich förderbaren Vorkommen.

In Bezug auf Schiefergas schätzt die BGR, dass sich ungefähr das Zehnfache des jährlichen deutschen Gasverbrauchs als tatsächlich förderbare Reserve im Untergrund befindet. Stimmt die Annahme, so könnte der deutsche Energiebedarf im Mittel theoretisch für zehn Jahre allein mithilfe von Gas-Fracking gedeckt werden. Derzeit werden pro Jahr ungefähr 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht.

Könnte der Maximalwert der BGR-Schätzung von rund 2030 Milliarden Kubikmetern tatsächlich gefördert werden, könnte der deutsche Energiebedarf deutlich länger gedeckt werden, erklärt Prof. Dr. Moh’d M. Amro, Ingenieur an der TU Bergakademie Freiberg: „Wir könnten bestenfalls den Gasbedarf von Deutschland rein theoretisch für fast 25 Jahre decken.“ Doch genau das ist ohne Probebohrungen nicht abzuschätzen.

 „Fracking-Gas könnte dazu beitragen, die heimische Gasversorgung für viele Jahre zu stabilisieren und auch starke Preissteigerungen zu reduzieren.“

Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer, Leiter der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie 

Jedoch äußerte der ehemalige BGR-Präsident Hans-Joachim Kümpel noch im Juni 2022 gegenüber der Welt am Sonntag, dass technisch lediglich eine Fördermenge von jährlich 20 Milliarden Kubikmetern durch heimisches Fracking realistisch sei. Bei dieser jährlichen Fördermenge geht Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer, Leiter der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie  davon aus, dass Deutschland weiterhin auf Energieimporte angewiesen wäre. Er betont aber: „Fracking-Gas könnte dazu beitragen, die heimische Gasversorgung für viele Jahre zu stabilisieren und auch starke Preissteigerungen zu reduzieren.“

Fracking als Hilfe in der Energiekrise?

Voraussetzung wäre aber erstmal eine entsprechende Infrastruktur und an der mangelt es bislang. „Es würde mindestens vier bis fünf Jahre dauern, bis die Fracking-Industrie eine Größenordnung erreicht hat, um ausreichend Schiefergas fördern zu können”, sagt Lechtenböhmer. In der aktuellen Energiekrise ließe sich auf diese Weise wenig ausrichten. 

Zudem könnte die angestrebte Klimaneutralität 2045 den wirtschaftlichen Nutzen für Unternehmen deutlich begrenzen. Stefan Lechtenböhmer sieht Fracking daher nicht als „Gamechanger“ des Energiesystems: “Auch wenn Fracking die heimische Versorgung mit Erdgas stabilisieren könnte, halte ich einen massiven Ausbau von Fracking-Maßnahmen für unwahrscheinlich. Sie benötigen unter anderem sehr viel Fläche und Wasser. Und vor allem, wenn wir unsere Klimaziele einhalten wollen, ist ein solcher Ausbau perspektivisch gesehen nicht sehr wirtschaftlich. Langfristig muss unser Erdgasverbrauch nämlich deutlich sinken.“ 

Europäisches Fracking-Gas

Auch das Potenzial von Schiefergasvorkommen innerhalb der EU wird diskutiert. Könnte Europa den eigenen Energiebedarf decken, wenn europaweit mehr Gas gefrackt würde? In einer Publikation vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) heißt es 2015 eindeutig: Nein. Europa könne sich auch dann nicht selbst versorgen, würde es seine gesamten verfügbaren Schiefergaslagerstätten ausbeuten.

Lechtenböhmer hält daher bedeutende Importe von Fracking-Gas aus unseren Nachbarländern für unwahrscheinlich. Er nimmt an, dass beispielsweise Polen mit seinem Vorkommen höchstens den eigenen Energiebedarf decken würde. Polen hat das größte bekannte Schiefergasvorkommen innerhalb Europas.

Lohnt Fracking in Deutschland? 

„Grundsätzlich ist es möglich zu fracken, um den Rückgang der heimischen Gasförderung zu verlangsamen und unabhängiger von Energieimporten zu werden“, fasst Lechtenböhmer zusammen. Das wäre jedoch nur ein kleiner Beitrag zur Energiewende und notwendig sei in diesem Fall eine ordnungsgemäße Durchführung der Technik, um Risiken zu vermeiden. Längerfristig sei vor allem der Ausbau erneuerbarer Energien notwendig. 

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