Kann „inklusiver Frieden“ auch zur Konfliktprävention beitragen?
Natürlich, das haben wir in verschiedenen Fällen beobachtet. Wir haben kürzlich einen Bericht herausgegeben, in dem wir 17 verschiedene Nationale Dialoge studiert haben. Ein Nationaler Dialog ist ein Prozess, der bewusst inklusiv gestaltet ist und bei dem verschiedene Gruppen repräsentiert werden. Es können zwischen ein paar hundert und ein paar tausend Menschen sein, die an einer solchen Verhandlung teilnehmen. Meistens geht es um fundamentale Reformen in einem Staat. Die Eliten müssen sich dabei genug repräsentiert fühlen, dass sie überhaupt bereit sind, Entscheidungen mit der breiteren Bevölkerung zu teilen. Das kann dazu führen, dass man ohne Gewalt zu einer Lösung kommt. Es gibt viele erfolgreiche Beispiele wie der Nationale Dialog 1990 in Benin. Aber es gibt auch Fälle, in denen es nicht geklappt hat. Zum Beispiel, wenn regionale Akteure oder die Bevölkerung selbst den Prozess nicht unterstützen, oder wenn der Nationale Dialog für grundlegende Konfliktursachen keinen Kompromiss findet.
Im Jemen gab es beispielsweise von 2013 bis 2014 nach dem Arabischen Frühling einen Nationalen Dialog. Der Prozess wurde von der UNO unterstützt und es ging darum, eine neue Verfassung zu schreiben. Der Dialog war sehr inklusiv, es gab auch eine Frauenquote und regionale Quoten, sämtliche Konfliktlinien wurden bei der Planung in Betracht gezogen. Das war eigentlich sehr vielversprechend. Und dennoch ist danach massiv Gewalt ausgebrochen. Ein Grund dafür war unter anderem, dass der Prozess sehr lange gedauert hat und die Bevölkerung immer mehr desillusioniert wurde. Zur Desillusionierung trug auch die Korruption der vorübergehend eingesetzten Regierung bei, die in den Augen vieler Bürger und Bürgerinnen nicht schnell genug sichtbare Veränderungen vom vorherigen Regime brachte. Der Nationale Dialog konnte sich zwar auf vieles einigen, dennoch eskalierte der Bürgerkrieg erneut, bevor ein Referendum über die ausgehandelte Verfassung gehalten werden konnte. Und da spielen nun auch regionale und internationale Akteure eine wichtige Rolle, denn der Bürgerkrieg verwandelte sich in einen regionalen Stellvertreterkrieg.
Hätte man das vermeiden können?
Das Problem bei der Friedensforschung ist, dass man eigentlich nie Prävention per se beweisen kann. Man kann schlecht sagen was passiert wäre, wenn man versucht hätte dies und jenes zu machen. Inzwischen haben wir schon das Wissen und die Erfahrungen, um herauszufinden: Wer muss mit am Tisch sitzen? Welche Risikofaktoren gibt es? Wo könnte noch sabotiert oder interveniert werden? Das ist immer ein Zusammenspiel der Realpolitik, auch auf internationaler Ebene, und dem lokalen Verständnis der Gesellschaft, die diesen Frieden ja tragen muss.