Finden sich innerhalb der Friedens- und Konfliktforschung Kontroversen?
Natürlich, es gibt verschiedene Debatten. In der Friedens- und Konfliktforschung haben wir ethische Auseinandersetzungen, vor allem in Bezug auf den Einsatz neuer Technologien, wie beispielsweise Drohnen, die ja sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Insofern ist das eine Frage von ethischen Standards. Werden diese durchgesetzt? Und was passiert, wenn sich Leute nicht daran halten?
Eine andere Debatte ist die Rechtfertigung von militärischer Intervention. Es gibt Wissenschaftler mit pazifistischer Tradition, die das grundsätzlich ablehnen, aber auch Wissenschaftler die sagen, dass ein solcher Einsatz in manchen Fällen im Völkerrecht vorgesehen ist. Einerseits ist es ein problematischer Ansatz, wenn man glaubt, mit Gewalt anderer Gewalt Einhalt gebieten zu können, denn jeder Gewalteinsatz setzt neue Dynamiken frei. Andererseits ist es natürlich auch problematisch, wenn irgendwo Gewalt in massiver Weise stattfindet und der Rest der Welt zuschaut. Man stellt sich die Frage des Gewalteinsatzes auf internationaler Ebene auch mit Blick auf Akteure, die dies können und wollen.
Eine andere Diskussion der letzten Jahre war die Frage von Peacebuilding. Wie sieht eigentlich der Übergang von einer Nachkriegsgesellschaft hin zu einer friedlichen Gesellschaft aus, die mit ihren Konflikten auf eine konstruktive Weise umgehen kann? Es gibt eine Kontroverse um das sogenannte „Liberal Peacebuilding“, das vorsieht, sowas wie ein Ideal von marktwirtschaftlichen Demokratien herzustellen. Diesen Ansatz sehen viele als völlig gescheitert an. Es gibt dagegen eine ganze Reihe von Ansätzen, die stärker an der lokalen Ebene ansetzen, die versuchen ein weniger ambitioniertes Programm zu fahren und die stärker stabilitätsorientiert sind. Sie sind stärker an lokalen Ressourcen und lokalen Akteuren interessiert.
Haben Sie das Gefühl, dass die Erkenntnisse, die das Forschungsfeld hervorgebracht hat, in Deutschland ihren Weg in die Politik finden und ernst genommen werden?
In Deutschland kann man schon deutliche Veränderungen sehen. Es wurden sehr stark Themen, Begriffe sowie Instrumente, die in der Friedens- und Konfliktforschung entwickelt wurden, aufgegriffen und sind sozusagen in das politische Handwerkszeug und den ganzen Apparat eingeflossen. Zum Beispiel gibt es jetzt im Auswärtigen Amt eine ganze Abteilung zum Krisenmanagement. Zusätzlich gibt es eine Diskussion in der Entwicklungspolitik darüber, dass man konfliktsensitiv an Fragen der Entwicklungspolitik herangeht, damit diese selbst kein Faktor ist, der lokale Konflikte verschärft. Das sind schon Entwicklungen bei denen man sagen kann, dass sich der Blickwinkel auf das eigene Politikfeld und auf die Frage, wie man Außenpolitik und Entwicklungspolitik macht, geändert hat. Die Friedens- und Konfliktforschung hat da durchaus mehr Einfluss, als sie sich das selbst manchmal klarmacht. In der deutschen Außenpolitik kann man daher heutzutage besser und differenzierter auf weltweite Anforderungen reagieren.