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„Ein Diskurs, der fast ausschließlich in der Wissenschaftsszene stattfindet“

Ein Gespräch mit Dr. Mark Lohmann

 

Am 24. Oktober 2017 erschienen die Ergebnisse eines BfR-Forschungsprojektes zur öffentlichen Wahrnehmung der Verfahren des Genome Editing. Über die Ergebnisse haben wir mit dem Forschungsleiter Dr. Mark Lohmann gesprochen.

 

Warum hat sich das Bundesinstitut für Risikobewertung überhaupt mit Genome Editing beschäftigt?

Die Risikokommunikation ist ein wichtiges Aufgabengebiet des Bundesinstituts für Risikoforschung. Sie hat im Wesentlichen zwei Ziele: Wissenschaftliche Fakten so aufzubereiten, dass sie wahrgenommen und verstanden werden und einen Dialog aufrechtzuerhalten. Sowohl mit der Öffentlichkeit als auch mit bestimmten Interessensgruppen, um Fehleinschätzungen zu vermeiden oder bestehende Konflikte abzubauen. Dafür benötigen wir Informationen zum Wissensstand, zu den Informationsbedürfnissen, zu den Informationserfordernissen und vor allen Dingen zur subjektiven Risikowahrnehmung.

Wir wussten zudem schon durch eine repräsentative Bevölkerungsbefragung, die wir Anfang des Jahres als Vorstudie durchgeführt hatten, dass nur 14 Prozent der Deutschen den Begriff ‘Genome Editing’ überhaupt jemals gehört haben. Daher haben wir für die Durchführung unserer Studie Fokusgruppeninterviews gewählt, umso konkreter auf alle Aspekte, Befürchtungen und Einschätzungen eingehen zu können.

„Insgesamt aber ist der Bekanntheitsgrad sehr gering. Die Meinungsbildung ist also in keinster Weise abgeschlossen.“

Warum ist der Bekanntheitsgrad so gering?

Die Meinung der Teilnehmer war, dass die Medien, die bisher darüber berichtet haben, den größten Teil der Bevölkerung zu diesem Thema nicht erreicht haben. Die Forderung ist, diese Technologie mit einfachen Worten, mit einfachen Visualisierungsmethoden zu erklärt bekommen – das Potential dahinter, aber auch die Unsicherheiten – damit es überhaupt möglich ist, sich eine Meinung zu bilden.

Auch, weil nicht unmittelbar einen Effekt für Verbraucherinnen und Verbraucher durch diese neue Technologie zu erkennen ist  und man sie deswegen auch nicht so sehr zur Kenntnis nimmt. Da viele bislang mit Genome Editing noch nicht in Kontakt gekommen sind, sind die Befürchtungen dann identisch mit den Befürchtungen, die man bei der konventionellen Gentechnik auch hat.

„Bei der Anwendung bei Pflanzen oder grundsätzlich bei Lebensmitteln stößt Genome Editing auf eine starke Ablehnung.“

Was sind die Befürchtungen, die gegen Genome Editing vorgebracht werden?

Es gibt Unterschiede in der Wahrnehmung und vor allem in Hinblick auf den Nutzen. Im medizinischen Bereich sieht man einen hohen Nutzen, schließlich könnten mit Genome Editing Leben gerettet werden und könnte die Gentherapie effizienter gemacht werden. Bei der Anwendung bei Pflanzen oder grundsätzlich bei Lebensmitteln stößt Genome Editing auf eine starke Ablehnung. Hier wird  die Notwendigkeit nicht erkannt und vor allen Dingen ist der individuelle Nutzen überhaupt nicht nachvollziehbar – gleichzeitig ist die Risikowahrnehmung sehr groß. Da man unter Umständen nicht genau weiß, was man im Genom anrichtet – sehen viele die Technologie eher kritisch.

Was waren die Wünsche der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hinsichtlich einer Regulierung?

Es wird – wie auch bei der konventionellen Gentechnik – eine strenge Regulation durch die zuständigen Behörden erwartet. Diese Behörden sollten unabhängig agieren von wirtschaftlichen, politischen, auch gesellschaftlichen Einflüssen. Auch eine internationale Instanz wurde gefordert, die in diesem Regulationsprozess mit eingebunden wird. Zudem wurde eine Kennzeichnungspflicht, gerade im Lebensmittelbereich gewünscht. Dazu soll sichergestellt werden, dass man eine Wahlmöglichkeit hat und auf andere Produkte ausweichen kann.

„Wenn man als Wissenschaftler damit ständig zu tun hat dann hat man für sich selbst subjektiv den Eindruck Genome Editing sei ein großes Thema.“

Sind sie von den Ergebnissen überrascht?

Überraschend war zumindest, dass der Bekanntheitsgrad so gering ist. Wenn man als Wissenschaftler damit ständig zu tun hat dann hat man für sich selbst subjektiv den Eindruck Genome Editing sei ein großes Thema. Es ist aber scheinbar ein Diskurs, der fast ausschließlich in der Wissenschaftsszene stattfindet.

Dass zu dem Thema vorrangig eine Ablehnung herrscht, war für uns dann weniger überraschend, weil es der Gentechnik zugeordnet wird. Die Unterschiede konnten scheinbar nicht herausgearbeitet werden. Die Strategie für die Risikokommunikation ist daher relativ klar.

Lassen sich die Erkenntnisse der Studie überhaupt auf die deutsche Bevölkerung übertragen?

Bei Fokusgruppen handelt es sich um eine qualitative Studie. Es waren ja insgesamt nur 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und man kann in keinster Weise auf einen größeren Zusammenhang schließen oder das Ergebnis auf die gesamtdeutsche Bevölkerung übertragen. Das Bild war allerdings so klar, dass man eine deutliche Tendenz erkennen kann.

Dr. Mark Lohmann

Dr. Mark Lohmann leitet am Bundesinstitut für Risikobewertung die Fachgruppe „Risikoforschung, -wahrnehmung, -früherkennung und -folgenabschätzung“.

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