Foto: KIT

„Die Technologien sind noch nicht so weit“

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Armin Grunwald

Ist Geoengineering eine Möglichkeit, den Klimawandel noch zu stoppen?

Zum Stoppen auf keinen Fall, aber dazu sind die Technologien auch nicht gedacht. Den Klimawandel zu stoppen würde ja bedeuten, dass man ihn rückgängig machen und damit den Eintrag der Treibhausgase zurückfahren oder aufhalten würde. Beim Geoengineering geht es vielmehr um die Bekämpfung der Symptome des Klimawandels. Die Theorie ist, die Aufheizungseffekte durch andere Technologien zu kompensieren. Das ist allerdings technisch noch ein weiter Weg, falls es überhaupt je soweit kommt. Ich glaube aber nicht, dass diese Technologien in absehbarer Zeit eine verlässliche Lösung für die Symptombekämpfung sein werden.

Trotzdem geistert das Thema weiterhin durch die Medien. Wie erklären Sie sich das?

So richtig begonnen hat die Debatte vor acht bis zehn Jahren. Damals hat der Nobelpreisträger Paul Crutzen gefordert, dass man solche Technologien des Geoengineering für den Fall entwickelt müsste, falls alle anderen anwendbaren Maßnahmen nicht funktionieren. Das hat insbesondere politisch und innerhalb der Forschung weltweit für viel Wirbel und Aufmerksamkeit gesorgt. Seitdem geistert der Begriff immer mal wieder umher, in die breite Öffentlichkeit hat er es aber eher noch nicht geschafft. Was ob der Bedeutung schon etwas verwunderlich ist.

„Nachdem wir unsere Studie zu dem Thema 2013 vorgestellt haben, gab es im Bundestag den Konsens, dass Geoengineering nicht als Hauptmaßnahme gegen den Klimawandel eingesetzt werden soll.“

Warum nimmt die Öffentlichkeit davon so wenig Notiz?

Ich glaube da gibt es verschiedene Gründe. Zum einen kann sich die breite Öffentlichkeit nicht mit unendlich vielen Themen beschäftigen. Wenn also Dinge aktuell hochkommen, wie beispielsweise die Flüchtlingskrise, werden diese priorisiert. Zum anderen hat es der Klimawandel in der Öffentlichkeit immer schwer, weil er ein Dauerthema ist und dauerhafte Aufmerksamkeit eher selten ist. Aktuell steht er durch den extrem heißen Sommer beispielsweise wieder stärker im Fokus, weil es einen Aufhänger gibt. Das wird sich aber auch wieder ändern und ist insgesamt ein normales Phänomen der Dynamik der Massenmedien.

Ist es aus Ihrer Sicht trotzdem wichtig, sich weiter mit dem Thema Geoengineering zu befassen?

Auf jeden Fall. Vor allem mit der Frage: Was machen wir eigentlich, wenn unsere Klimapolitik scheitert und dann unerwartete Klimaeffekte eintreten? Das ist das Horrorszenario, welches Crutzen aufzeigt und er will für diesen Fall eine Notfalltechnologie parat haben, die man sonst nicht einsetzt. Diese Art des Vorsorgedenkens finde ich zumindest interessant und ich denke, man sollte sich darüber auch weiterhin Gedanken machen. Trotz aller Vorsicht, die man dabei walten lassen sollte.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass der Weg CO2 aus der Atmosphäre herauszuziehen vielversprechend ist und daran auch weiter geforscht wird.“

Wieso muss man dabei vorsichtig sein?

Das lässt sich schön an einem Bild erklären: Eine solche Notfalltechnologie wäre so etwas wie ein Feuerlöscher, der an der Wand hängt. Doch nur, weil man diesen Feuerlöscher hat, sollte man natürlich nicht unvorsichtig mit Feuer spielen. Auf das Klima übertragen bedeutet das, dass man die aktuellen Maßnahmen zum Klimaschutz vernachlässigt, weil man ja den Feuerlöscher hat. Das darf nicht passieren und deshalb muss man die Notfalltechnologien vorsichtig behandeln.

Ist diese Denkweise in der Politik denn angekommen?

Ja, zumindest in Deutschland. Nachdem wir unsere Studie zu dem Thema 2013 vorgestellt haben, gab es im Bundestag den Konsens, dass Geoengineering nicht als Hauptmaßnahme gegen den Klimawandel eingesetzt werden soll. Das hat auch heute noch Bestand. Allerdings kann ich natürlich nicht sagen, ob sich durch die neuen Parteien im Bundestag in dieser Beziehung etwas ändern wird und dort langfristig anders darüber diskutiert wird.

Wie sieht es international aus?

Die USA beispielsweise haben sich damals sehr stark mit Geoengineering befasst und ich hatte durchaus Sorge, dass sie unter einem anderen Präsidenten als Barack Obama voll und ganz auf diese Technologien setzen könnten. Nun haben wir aber mit Donald Trump jemanden, der den Klimawandel mehr oder weniger ganz leugnet und deshalb ist auch dort Geoengineering derzeit keine Option, wenn auch aus den falschen Gründen.

„Das Ja/Nein-Denken was oft erstmal besteht, ist ja nicht konstruktiv.“

Ginge man nun davon aus, dass man eine der Technologien weiterentwickelt, um sie im Notfall einzusetzen, welche hätten da aus ihrer Sicht derzeit die größten Chancen?

Das ist leider ein Dilemma. Die Technologien, die wirklich schnell wirken würde, also als Notfalloption in Frage kämen, sind noch nicht so weit, dass sie in den nächsten zehn bis 15 Jahren einsatzfähig wären. Die einzige Maßnahme im Bereich des Solar Radiation Managements, die bereits in der Erforschung und annähernd ausreichend entwickelt ist, ist der Vorschlag Vulkanausbrüche nachzuahmen, um das Klima abzukühlen. Schwefelpartikel in der Vulkanasche würden dabei wie kleine Spiegel wirken und das Sonnenlicht reflektieren. Dabei besteht allerdings das Problem, dass die Auswirkungen davon unkalkulierbar sind und das Risiko daher viel zu groß ist.

Die Forschung geht derzeit eher andere Wege und fragt sich, wie man das CO2 aus der Atmosphäre wieder herausbekommt – sie verfolgt also die Idee des Carbon Dioxide Removal. Dabei orientiert man sich an den Prozessen, die in Pflanzen ablaufen. Die Forschungen in diesem Bereich sind auf einem guten Weg, allerdings sind das langfristige Prozesse, die einem im Notfall nicht viel bringen.

Glauben Sie denn, dass die Forschung in diesem Bereich weitergeht?

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Weg CO2 aus der Atmosphäre herauszuziehen vielversprechend ist und daran auch weiter geforscht wird. Da sehe ich große Chancen, dass diese Technologien in der Zukunft einen Beitrag zum Schutz vor dem Klimawandel liefern können. Was die Notfalltechnologien des Solar Radiation Managements angeht, bin ich eher skeptisch. Da gibt es zu viele unbekannte Folgen, deshalb glaube ich nicht, dass es derzeit in diesem Bereich weitergeht. Vor allem auch, weil es ja auf globaler Ebene entschieden werden müsste und weltweit gibt es da zu viele unterschiedliche Interessen.

Als wie groß erleben Sie die Kontroverse in der Wahrnehmung der Menschen?

Die ist aus meiner Sicht riesig und hat interessanterweise auf beiden Seiten eigentlich die gleiche Ursache. Es geht auf beiden Seiten immer um das großtechnische Eingreifen ins Klima. Das ist für die einen faszinierend und für die anderen hat es etwas von Gott spielen und verursacht daher erstmal Empörung. Deshalb braucht es einen offenen Dialog, schließlich haben beide Seiten gute Gründe für ihre Reaktion – zumal die Faktenlage ja noch nicht ganz klar ist. Deshalb versuche ich erstmal immer zu verstehen, was hinter der Reaktion steckt und dann basierend darauf konstruktiv zu überlegen, ob es einen Mittelweg gibt. Das Ja/Nein-Denken was oft erstmal besteht, ist ja nicht konstruktiv, daher versuche ich davon wegzugehen und eher eine Abwägung zu erreichen.

Zur Person

Der Technikphilosoph Prof. Dr. Armin Grunwald leitet das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag und das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am KIT. An der Universität Karlsruhe hat er den Lehrstuhl für Technikphilosophie und Technikethik inne.

Mehr zu dem Thema