Wer klärt Schwangere über Pränataldiagnostik auf?
Hier müssen wir zwei Perspektiven unterscheiden: die der niedergelassenen Ärzt*innen und der Beratungsstellen. Die niedergelassenen Ärzt*innen sind verpflichtet über Pränataldiagnostik aufzuklären – dafür gibt es eine sogenannte Versicherteninformation, die sehr umfangreich ist. Vor allem wenn Ärzt*innen nicht invasive Pränataltests anbieten, müssen sie auch darüber informieren. Dazu zählt: Was kann der Test leisten? Was für ein Ergebnis kann rauskommen? Welche Aussagekraft hat ein solches Ergebnis?
Und welche Rolle übernehmen Sie in einer Beratungsstelle von profamilia?
Im Fokus bei uns ist nicht die Medizin, die Technik oder das erwartete Kind, sondern die schwangere Person, die Familie, das Paar. Wir beschäftigen uns mit der Motivation, den Ängsten und Befürchtungen sowie ethischen Herausforderungen rund um Pränataldiagnostik – das braucht Zeit. In der Frühschwangerschaft gibt es eine riesige Liste an Dingen, die Ärzt*innen per Gesetz mit den Schwangeren besprechen müssen: Infektionskrankheiten, Impfungen, Risiken in vorherigen Schwangerschaften, und viele mehr. Da fehlt häufig die Zeit ausführlich auf Pränataldiagnostik einzugehen. Dazu kommt, dass vorgeburtliche Untersuchungen komplex und schwierig zu verstehen sind. Manche Schwangeren tun sich schwer die Aufklärungsbögen zu verstehen oder haben Sprachschwierigkeiten. Einen komplexen Inhalt wie Pränataldiagnostik so zu vermitteln, dass die schwangere Person wirklich versteht worum es da geht – das dauert.
Ab dem 1. Juli 2022 werden nicht invasive Pränataltests (NIPT) von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Erwarten Sie dadurch einen größeren Aufklärungsbedarf?
Ich erwarte mehr Unsicherheit bei den Schwangeren, sowohl ob man den Test durchführen möchte, wie auch bei einem Ergebnis. Das liegt auch daran, dass die Indikation für den Test – also der Grund wann man ihn durchführt – sehr schwammig ist. Auf der einen Seite bekommen Schwangere die Kosten übernommen, wenn es einen Vorbefund oder Risiko gibt. Andererseits kann sich die schwangere Person auch im Einvernehmen mit der*die Ärzt*in für einen Test entscheiden, beispielsweise wenn große Ängste vorhanden sind. Da gibt es einen großen Interpretationsspielraum. Deshalb ist eine Aufklärung umso wichtiger. Auch die niedergelassenen Gynäkolog*innen müssen dafür erstmal ausführlich über NIPT aufgeklärt werden. Dazu sind Fortbildung mit praktischen Tipps zur Beratung geplant. Die niedergelassenen Ärzt*innen sollen sensibilisiert werden, wie sie sorgfältig mit NIPT und der Indikation für den Test umgehen können.