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Ist Laborfleisch gesund?

Über gesundheitliche und ernährungsspezifische Aspekte von Fleisch aus dem Labor

Fleisch aus dem Labor wird vielfach aus Umweltschutz- und Tierwohl-Perspektive diskutiert. Bisher findet sich kaum etwas zu den gesundheitlichen Aspekten. Wieso?

In Deutschland und in der EU gibt es das Fleisch derzeit noch nicht. „Erst wenn Menschen in großem Umfang Fleisch aus dem Labor verzehren, können langjährige Beobachtungsstudien zu den gesundheitlichen Auswirkungen durchgeführt werden“, erklärt Prof. Dr. Christina Holzapfel, Professorin für Humanernährung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Fulda und Forschungsleiterin am Institut für Ernährungsmedizin der TU München. Vor Markteinführung werden Sicherheitsstudien durchgeführt, mit der Markteinführung eines Lebensmittels werden begleitend die gesundheitlichen Effekte untersucht. Dadurch stellt man Langzeiteffekte fest und beurteilt, ob beispielsweise ein übermäßiger Konsum eine bestimmte Krankheit begünstigt.

Bis dahin können nur die gesundheitlichen Risiken untersucht werden. Bevor Produkte in Europa als neuartige Lebensmittel (Novel Food) – wie Fleisch aus dem Labor – zugelassen werden, muss überprüft werden, ob sie sicher und verträglich sind. Dazu werden ernährungsphysiologische Untersuchungen durchgeführt, so Holzapfel. „Man betrachtet die Inhaltsstoffe: Überschreiten sie bestimmte Schwellenwerte? Führt der Konsum zu Durchfall, Übelkeit, einem veränderten Hungergefühl? Zudem können Stoffwechselparameter untersucht werden: Steigt der Blutdruck? Wie wirkt sich der Konsum auf Glukosewerte und Fettstoffwechsel aus?“

„Die gesamte Produktion [von Fleisch aus dem Labor] muss steril ablaufen. Das ist nicht nur technologisch herausfordernd, sondern auch aufwändig und teuer.“

Prof. Dr. Peter Eisner, Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung

Zur Sicherheit eines Lebensmittels gehört aber noch mehr: Bei technischen Neuentwicklungen von Lebensmitteln wird untersucht, welche hygienischen Anforderungen an ein Herstellungsverfahren gestellt werden, so Prof Dr. Peter Eisner, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV). Bei Fleisch aus dem Labor brauche es sterile Arbeitsbedingungen, damit sich beim Wachstum der Zellen keine Mikroorganismen ansiedeln. Bei anderen Produkten, wie Milch, kann die Produktion sehr viel einfacher gestaltet werden, da man am Ende des Herstellungsprozesses hoch erhitzt und unerwünschte Bakterien abtötet. Das sei bei rohem Fleisch nicht möglich. Deshalb muss die gesamte Produktion steril ablaufen. „Das ist nicht nur technologisch herausfordernd, sondern auch aufwändig und teuer“, so Eisner. 

„Fleisch aus dem Labor ist nicht zwangsläufig auf Nährstoffebene identisch mit konventionellem Fleisch.“ 

Prof. Dr. Christina Holzapfel, Institut für Ernährungsmedizin TU München

Ist Fleisch aus dem Labor identisch mit konventionellem Fleisch? Das sei schwierig zu beurteilen, so die beiden Expert*innen. Zum einen komme es auf die Zusammensetzung, also den Anteil an Makro- und Mikronährstoffen an, so Holzapfel. „Neben der Nährstoffzusammensetzung ist auch die Bioverfügbarkeit wichtig, also wie gut die Nährstoffe des kultivierten Fleisches im Körper aufgenommen werden. Beispielsweise ist die Eisenaufnahme bei tierischen Produkten generell besser als bei pflanzlichen Produkten. Fleisch aus dem Labor ist nicht zwangsläufig auf Nährstoffebene identisch mit konventionellem Fleisch“, sagt Holzapfel.

Zum anderen spielt das Scaffold, das Gerüst auf dem die Muskelzellen im Bioreaktor heranwachsen, eine wichtige Rolle. Es fungiert als Skelett für die Muskelzellen, um dem kultivierten Fleisch eine Struktur zu geben. Das Scaffold könne aus verschiedenen Materialien bestehen, so Eisner, beispielsweise aus Kohlenhydraten oder pflanzlichen Proteinen. „Es macht am Ende etwa 30 bis 80 Prozent der Masse des Fleischproduktes aus. Je nachdem aus welchem Material das Gerüst ist, kann man deshalb bei Laborfleisch nicht von 100 Prozent Fleisch sprechen“, sagt Eisner. Für die Verbraucher*innen sind neben Inhaltsstoffen, aber auch Geschmack und Konsistenz zentral. Davon ist abhängig, ob das Fleisch aus dem Labor als echte Fleischalternative angenommen wird, so die Expert*innen.

Fleisch mit Zusätzen anreichern

Wie andere im Labor hergestellte Lebensmittel, kann auch Fleisch mit verschiedenen Zusätzen angereichert werden. Dabei können Lebensmittelzusatzstoffe wie Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe und Farbstoffe sowie Mineralien und Vitamine zum Einsatz kommen. Zusatzstoffe können die physikalischen und sensorischen Eigenschaften des Fleisches verändern, damit Geschmack und Textur möglichst an konventionelles Fleisch erinnern, so Eisner. Ob und in welcher Weise sich die Stoffe negativ auf die Gesundheit auswirken, sei stark abhängig von der Dosis und was konkret eingesetzt werde, so die Ernährungswissenschaftlerin. Auch Zusätze wie Vitamin B12, Vitamin C oder Zink kann man supplementieren und Lebensmitteln zusetzen – hier ist technologisch alles möglich, so Eisner. Auch Anpassungen an die speziellen Nährstoffanforderungen einzelner Zielgruppen, Kinder oder älterer Menschen, wäre denkbar, sagt Holzapfel. Man könne personalisierte Produkte herstellen. Offen bleibe, was wirklich sinnvoll und preislich machbar ist.

Allgemein ist der Konsum von konventionellem Fleisch heute viel zu hoch. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit, wie Herz-Kreislauf-Krankheiten. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche. In Deutschland liegt der Fleischkonsum weit über dieser Empfehlung – im Jahr 2022 bei 52 kg pro Kopf, das entspricht etwa 1100 Gramm pro Woche. „Fleisch zu essen ist nicht per se falsch, aber der Fleischkonsum sollte aus gesundheitlichen Aspekten stark reduziert werden“, so die Ernährungswissenschaftlerin.  „Wenn wir unseren Fleischkonsum reduzieren, stellt sich die Frage, wofür wir dann überhaupt noch Fleisch aus dem Labor brauchen.“ Auch Peter Eisner stellt den Mehrwert von kultiviertem Fleisch in Frage: „Es ist ein Luxusprodukt, das weder aus Umweltsicht, noch im Sinne der Sicherung der globalen Ernährung ein Problem löst – dafür ist es auch viel zu teuer.“

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