Foto: Avi Richards

Mit Medienkompetenz gegen neue Internetphänomene

Social Bots, die Öffentlichkeit und unsere Rolle als Nutzer

Social Bots liken, retweeten, texten und kommentieren. Aber sind ihre Aktivitäten deshalb eine ernsthafte Gefahr? In unseren Artikeln (Erobern Social Bots unsere soziale Netzwerke? und Social Bots als Waffen im Wahlkampf) sind wir auf einzelne problematische Aspekte eingegangen. Doch wie steht die Bevölkerung zu Social Bots und welches Potenzial haben sie unsere Medienlandschaft zu verändern?

59,5 Prozent aller Befragten machen sich Sorgen, dass Social Bots in Zukunft immer öfter Menschen und Entscheidungen beeinflussen – zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Developer Week im Mai 2017. Fast genauso viele (54,2 Prozent) finden, dass Social Bots sogar eine Gefährdung für den Meinungsbildungsprozess einer Demokratie sind. Die Problematik von Social Bots ist also auch in der Gesellschaft angekommen und durchaus präsent. Doch auch die Diskussion um Fake News, Internet-Trolle oder gar Hate Speeches im Netz zeigt, dass der Umgang mit Internetphänomenen momentan schwierig ist und gleichzeitig die Sorge besteht, dass diese Phänomene die Meinungsbildungsprozesse in unserer Demokratie gefährden könnten.

„Heutzutage kann jeder Nachrichten erzeugen und weitergeben. Das führt dazu, dass wir als Gesellschaft nun erst einmal lernen müssen, wie damit umzugehen ist, dass Nachrichten nichts Exklusives mehr sind“

(Prof. Christian Bauckhage)

Denn über das Internet erreichen uns Informationen immer öfter ungefiltert und direkt von einem Sender. „Heutzutage kann jeder Nachrichten erzeugen und weitergeben. Das führt dazu, dass wir als Gesellschaft nun erst einmal lernen müssen, wie damit umzugehen ist, dass Nachrichten nichts Exklusives mehr sind”, sagt Prof. Christian Bauckhage vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS).

Verantwortung der sozialen Netzwerke

Wie genau Social Bots das Internet im Allgemeinen und unseren Umgang damit beeinflussen, ist bisher kaum Gegenstand der öffentlichen Debatte. Eine Kurzstudie des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages  geht speziell auf diesen Aspekt ein. Ihr zufolge könnte das gehäufte Vorkommen von Social Bots in den sozialen Medien dazu führen, dass ein Teil der Nutzer sich abwendet, „weil sie das Vertrauen in die Echtheit der Beiträge verliert” (These 7).

Für den Soziologen Prof. Peter Weingart von der Universität Bielefeld resultiert daraus eine Verantwortung für die Unternehmen, die hinter den sozialen Medien stehen: „Die großen Konzerne können sich nicht hinter der These verkriechen, sie stellten nur Infrastruktur zur Verfügung. Allein der Umstand, dass sie mit Algorithmen und Selektions- bzw. Priorisierungentscheidungen in den Kommunikationsprozess intervenieren, macht sie zu Medienunternehmen.” Während also Experten und Studien teilweise der Ansicht sind, der Umgang von Unternehmen sozialer Netzwerke mit Social Bots sei weitestgehend intransparent, sehen andere Experten durchaus ein Bemühen der Unternehmen und vor allem die Nutzer in der Verantwortung. Prof. Bauckhage sagt: „Wir brauchen ein Bewusstsein dafür, was heutzutage möglich ist und wo unsere persönliche Verantwortung liegt.”

Soziale Medien in der Wissenschaftskommunikation

Eine Akademienarbeitsgruppe von acatech, Leopoldina und den Unionsakademien beschäftigt sich  mit dem Einfluss sozialer Medien auf die Wissenschaftskommunikation (Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien (Phase 2)). Am 28. Juni werden Ergebnisse und Empfehlungen vorgestellt. Der acatech-Vizepräsident und Sprecher des Projekts Prof. Reinhard Hüttl sagt zu der Motivation und den Zielen des Projekts: „Soziale Medien erleichtern und bereichern die Wissenschaftskommunikation, führen aber auch zu besorgniserregenden Phänomenen wie Social Bots oder Echoräumen, in denen sich Gleichgesinnte in ihren Vorurteilen bestärken. Uns geht es um die Qualität der Wissenschaftskommunikation, also um eine möglichst offene gesellschaftliche Debatte über wissenschaftsbezogene Themen.“

„Die Quellen für Wissen, aber auch irreführende Inhalte werden immer vielfältiger, schneller und direkter. Medien- und Quellenbewertungskompetenz müssen deshalb Teil der Allgemeinbildung werden.”

(Prof. Reinhard Hüttl)

Medienkompetenz als entscheidender Faktor

„Die Situation, in der wir uns befinden, lässt sich mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichen. Die Gesellschaft hat hundert Jahre gebraucht, bis die Menschen verstanden haben, dass Inhalte nun nicht mehr wahr oder offiziell waren, nur weil sie schriftlich vorlagen. In einer ähnlichen Situation befinden wir uns heute”, sagt Prof. Bauckhage. Die Medienkompetenz des einzelnen ist also entscheidend, um die zentrale Frage „Was ist Fakt und was nicht?” beantworten zu können. Auch für das Team des WÖM2-Projekts eine wichtige Frage. Reinhard F. Hüttl sagt: „Die Quellen für Wissen, aber auch irreführende Inhalte werden immer vielfältiger, schneller und direkter. Medien- und Quellenbewertungskompetenz müssen deshalb Teil der Allgemeinbildung werden.”

Auch beim Thema IT-Sicherheit spielt die digitale Medienkompetenz der Nutzer eine entscheidende Rolle. Der Mensch wird hier zunehmend als Schwachstelle gesehen. So weist etwa die TAB-Studie in einer ihrer Thesen sogar explizit auf die Gefahr hin, dass Netzwerke aus Social Bots Menschen für Angriffe instrumentalisieren. Sie versenden fingierte Nachrichten, in der eine Schadsoftware versteckt ist und „kapern“ so Geräte für schadhafte Zwecke (These 6). Eine Gefahr, die durch höhere Medienkompetenz eingegrenzt werden könnte.

Schließlich gilt bei all den Überlegungen, wie wir als Gesellschaft, wie Politik und wie Wissenschaft mit solchen Internetphänomenen umgehen sollten, denn verschwinden werden Social Bots, Trolle und Fake News aus dem Internet nicht mehr. Wir sollten also besser lernen, mit ihnen zu leben.

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