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Mangelware Wohnraum – zu teuer, schlecht gelegen oder schon weg

Wie steht es um den Wohnungsmarkt in deutschen Städten?

„Miet-Wahnsinn”, „Dramatische Lage am Wohnungsmarkt”, „Arm durch wohnen” – Schlagzeilen, die für viele Stadtbewohner Realität sind. Bei einer Wohnungsbesichtigung sind 50 Interessenten nichts Ungewöhnliches und selbst, wenn man eine Wohnung gefunden hat, bedeuten steigende Mieten für viele eine erhebliche Belastung. Rund 80 Prozent der deutschen Großstadtbewohner sind mit angespannten Wohnungsmärkten konfrontiert, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung belegt. München oder Hamburg gelten schon lange als teuer, das Phänomen von teuren Mieten und knappem Wohnraum erstreckt sich jedoch heute viel weiter. Betroffen sind mittlerweile alle Metropolen, ihre Ballungsräume und auch kleinere Universitätsstädte. In Berlin, lange Zeit ein Mieterparadies, stiegen die Mieten zwischen 2015 und 2017 im Schnitt gar um 7,7 Prozent an. Fast dreimal so stark wie in den zwei vorigen Jahren.

Neuvermietungen sind in erster Linie von der Preissteigerung betroffen. Deutschlandweit sind hierbei die Mieten um 4,5 Prozent auf durchschnittlich 7,99 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Spitzenreiter ist München, wo durchschnittlich 16,65 Euro für den Quadratmeter fällig werden, auf Platz zwei landet Frankfurt am Main mit 13,09 Euro. Auch die Bestandsmieten ziehen nach und nach an.

 

Durchschnittliche Angebotsmieten auf dem Markt im Jahr 2017. Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).

 

Arme Haushalte besonders betroffen

Doch was ist eigentlich teuer? Und was ist bezahlbarer Wohnraum? Sozialwissenschaftler, Immobilienexperten und Vermieter sind sich einig, dass der Anteil des Haushaltsnettoeinkommens, der für die Warmmiete aufgewendet wird, nicht über 30 Prozent liegen sollte. So soll zum einen noch genug zum Leben bleiben, zum anderen wollen Vermieter dadurch sicherstellen, dass die Miete regelmäßig gezahlt werden kann.

Die Realität sieht inzwischen anders aus. Die Hans Böckler Stiftung hat in ihrer Studie Daten aus allen 77 Großstädten in Deutschland ausgewertet. „Es gibt fast sechs Millionen Haushalte, die mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete zahlen. Das ist nahezu die Hälfte sämtlicher Haushalte in den Städten”, sagt der Stadtsoziologe Dr. Andrej Holm von der Humboldt-Universität zu Berlin, der an der Studie beteiligt war. Haushalte mit höherem Einkommen müssen laut der Studie im Mittel 17,2 Prozent ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete aufwenden. Bei Haushalten an der Armutsgrenze sind es 39,7 Prozent. Wer an der Armutsgrenze lebt oder als armutsgefährdet gilt, hat ein Einkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren bundesdeutschen Einkommens zur Verfügung. Diese Gruppe ist auch deshalb besonders von der aktuellen Situation betroffen, weil sie seltener Wohneigentum besitzt. Insgesamt bleibt etwa 1,3 Millionen Haushalten nach der Zahlung der Bruttokaltmiete ein Resteinkommen, das niedriger ist als die Regelsätze von Hartz-IV.

Das Statistische Bundesamt betrachtet hingegen nicht nur die Miete, sondern die gesamten Wohnkosten – sowohl bei Mietern als auch bei Eigentümern. Zu den Wohnkosten zählen neben der Miete auch Kosten für Energie, Instandhaltung und Versicherungen. Auch hier wird die Schere zwischen den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten deutlich: Haushalte in Deutschland geben im Schnitt 27,4 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aus. Bei als armutsgefährdet geltenden Haushalten sind es gar 51,3 Prozent.

„Die hohen Mieten sind einfach ein Signal der zunehmenden Knappheit auf dem Wohnungsmarkt.”

Prof. Dr. Michael Voigtländer, Institut der deutschen Wirtschaft

Wohnungsbau hinkt hinterher

Der Grund für die in den letzten Jahren gestiegenen Mieten ist einfach: Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage hat sich geändert. „In den Städten gibt es überproportional gut bezahlte Jobs, deshalb kommen die Menschen. Die Bautätigkeit kommt jedoch nicht hinterher. Die hohen Mieten sind einfach ein Signal der zunehmenden Knappheit auf dem Wohnungsmarkt”, sagt Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Das Pestel Institut aus Hannover hat errechnet, dass bis zum Jahr 2020 jährlich 400.000 neue Wohnungen in Deutschland gebaut werden müssten. 2016 wurde bereits der Bau von gut 375.000 Wohnungen genehmigt – eine Verdoppelung gegenüber 2010. Die Zahl der tatsächlich realisierten Neubauwohnungen liegt derzeit allerdings mit 278.000 Wohnungen noch deutlich darunter. In den 77 deutschen Großstädten fehlen insgesamt 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen, wie die Hans-Böckler-Stiftung errechnet hat. Wohnungen also, für die die Mieter nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens bezahlen müssen.

Von diesen 1,9 Millionen Wohnungen fehlen insbesondere Wohnungen für Einpersonenhaushalte. Denn nicht nur der Bevölkerungszuwachs in den Städten führt zu einem Mehrbedarf an Wohnungen. Auch die durchschnittliche Haushaltsgröße geht seit einigen Jahren immer weiter zurück. Nahezu die Hälfte aller Haushalte in Deutschland besteht inzwischen aus einer Person, für die es jedoch zu wenige kleine und damit für sie bezahlbare Wohnungen gibt.

„Die Grundstückspreise haben sich in fast allen Städten schneller entwickelt als die tatsächlichen Erträge aus Mieten und Verkäufen.”

Dr. Andrej Holm, Humboldt-Universität zu Berlin

Den Grund dafür, dass weniger Wohnungen entstehen als genehmigt werden, sieht das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung einerseits in der notwendigen Bauzeit von ein bis zwei Jahren. Andererseits würden auch nicht alle Gebäude tatsächlich realisiert werden – ob aus strategischen, organisatorischen oder spekulativen Gründen. „Die Spekulation mit Bauland lohnt sich nur deswegen, weil die Grundstücke so knapp sind”, sagt Voigtländer. „Hätten wir jede Menge Bauflächen, würden die Baulandpreise gar nicht so sehr steigen.” In deutschen Großstädten ist der Preis für einen Quadratmeter Bauland zwischen 2011 und 2016 durchschnittlich um 33 Prozent angewachsen — von gut 250 Euro auf knapp 350 Euro. „Die Grundstückspreise haben sich in fast allen Städten schneller entwickelt als die tatsächlichen Erträge aus Mieten und Verkäufen”, sagt Stadtsoziologe Holm.

Hohe Mieten verändern die Stadt

Auch Holm sieht in den Städten Wohnungsmangel und fehlende Bauaktivität als Ursache für die steigenden Mieten: „Das ist systematisches Marktversagen. Jeder, der mit einer ökonomischen Rationalität Wohnungen bewirtschaftet, wird versuchen mindestens die durchschnittliche Miete vor Ort zu erzielen.” Er kritisiert vor allem die Kommunen und Länder, die in den letzten 25 Jahren Wohnungen aus der öffentlichen Hand an große Firmen verkauft haben. „Der Großteil derer, die sich auf dem Wohnungsmarkt platzieren, sind Fonds und Gesellschaften, die aus einer Finanzmarktlogik heraus agieren. Sie verbinden oft sehr kurzfristige Ertragserwartungen mit ihren Investitionen”, sagt er.

Die Folge: Durch die Situation auf dem Wohnungsmarkt verändert sich die Sozialstruktur der Städte. Wer sich die gestiegenen Mieten in der Innenstadt nicht mehr leisten kann, zieht an die Ränder der Stadt oder gleich ins Umland. Ärmere Menschen werden so aus ihren Vierteln verdrängt, befürchtet wird eine Ghettoisierung der Randlagen. „In München oder Stuttgart beispielsweise gibt es nur einen sehr niedrigen Anteil an Geringverdienern. Das ist sicher ein Effekt von guter wirtschaftlicher Lage, aber auch davon, dass Leute mit wenig Geld in solche Städte kaum zuziehen können”, so Holm.

Ein Ende der Migration in die Städte ist bisher nicht abzusehen. „Unsere Prognosen sagen bis 2035 ein Wachstum von 14 Prozent für Berlin vorher. Ähnlich ist das in München. Düsseldorf liegt bei elf Prozent”, sagt Voigtländer. Wichtig sei es daher, so schnell wie möglich Lösungen für die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu finden.

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