„Die geburtenstarken Jahrgänge treten jetzt ins Rentenalter ein. Von diesen Menschen waren viele einige Zeit arbeitslos. Hier kommt es vielfach zum Rentenschock”, sagt Matthias Günther, Ökonom und Vorsitzender des Pestel Instituts in Hannover. „Das Einkommen halbiert sich, die Miete bleibt gleich oder steigt sogar und schon wird es finanziell brenzlig”. Heute Normalverdiener, im Alter arm durch Miete: Ein Schreckensszenario, das droht, wenn sich nicht bald etwas an der Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt ändert.
Sowohl Günther als auch Gerull sind skeptisch, dass der Markt die aktuelle Problematik von alleine regeln wird – eine These, die einige Ökonomen und Politiker durchaus vertreten. „Wohnungen sind keine normale Ware und sollten in einem Sozialstaat daher auch nicht so behandelt werden”, sagt Gerull. „Es gibt ein Menschenrecht auf Wohnraum und deshalb muss der Staat dafür sorgen, dass Bürger menschenwürdig wohnen und leben könnten. Aber genau das regelt der Markt nicht.”
Die eine richtige Lösungsstrategie für das Problem scheint es aufgrund der Vielschichtigkeit nicht zu geben. „Jetzt plötzlich ganz viele Wohnungen zu bauen, ist zwar ein guter Start, aber wirklich etwas davon haben werden wir erst in fünf Jahren. Und selbst dann stellen sich die Einkommensschwachen ganz hinten an”, sagt Gerull. Stattdessen müsse an verschiedenen Stellen angesetzt werden. „Die Wohnungsbaugesellschaften zu verkaufen, war ein riesiger Fehler. Wir müssen diese Wohnungen zurück in den kommunalen Bestand holen und versuchen, sie wieder im Sinne eines Sozialstaats zu nutzen”, sagt sie. Erste Modelle, wie dies gelingen könnte, gibt es bereits. Die Stadt Karlsruhe beispielsweise versucht günstigen Wohnraum zu sichern, indem sie Belegungsrechte kauft. Das Prinzip dahinter ist einfach: Die Stadt saniert Wohnungen und erhält dafür das Recht, für zehn Jahre zu entscheiden, wer sie mieten darf. Ein erster Schritt in Richtung sozial gerechter Verteilung.