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Debattenkultur – Das war die Debatte

Eine Zusammenfassung

Die Debatte versucht wissenschaftliche Perspektiven in gesellschaftliche Debatten einzubringen. In den vergangenen Monaten ist jedoch Debattenkultur als solche ins Zentrum gesellschaftlicher Debatten gerückt. Warnungen vor einer Verrohung der Sprache und einer Beschneidung der Meinungsfreiheit in den sozialen Medien mischen sich mit Empörung über vermeintliche Fälle von “Cancel Culture” und der von manchen empfundenen Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. 

Zum Zustand der Debattenkultur fand deshalb am 18. März unsere virtuelle Live-Diskussion unter dem Titel „Die Macht der Wörter – Wie Debatten unsere Welt verändern” statt. Auf dem Podium diskutierten die DFG-Vizepräsidentin und Direktorin des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) Prof. Dr. Julika Griem, die Germanistin und Geschlechterforscherin Prof. Dr. Andrea Geier von der Universität Trier und der Netzwerkwissenschaftler und Experte für digitale Kommunikation Dr. Philipp Lorenz-Spreen vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die Veranstaltung kann hier auf unserem YouTube-Kanal nachgeschaut und in diesem Graphic Recording visuell nachverfolgt werden.

Graphic Recording von Louisa Fortwengel

Das Thema Debattenkultur scheint derzeit besonders brisant, neu ist es aber keinesfalls. Die Geschichte des Rechts auf Meinungsfreiheit ist eine wechselhafte, von der Französischen Revolution bis hin zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).

Eine kurze Geschichte der Meinungsfreiheit

Das NetzDG soll Nutzer*innen ermöglichen, gegen Hasskriminalität und andere strafbaren Inhalte in sozialen Netzwerken vorzugehen. Denn neben – und trotz aller positiven Funktionalitäten – Fake News ist Hate Speech eines der zentralen Probleme der sozialen Medien.

„Wir sehen, dass es eine Art von Schweigespirale gibt, dass bestimmte Personen oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen sich weniger in öffentliche Diskurse in den Sozialen Medien einbringen, weil sie die Befürchtung haben, dass sie dort angegriffen werden, weil sie eine andere Meinung vertreten.“

Dr. Edda Humprecht, Universität Zürich

Das NetzDG steht allerdings gleichzeitig in der Kritik auch zur Zensur von Beiträgen zu führen, die eigentlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Das Problem der Sicherung der Meinungsfreiheit in den Sozialen Medien ist dabei Teil einer Reihe von neuen Herausforderungen für die Debattenkultur, die durch die Verbreitung des Internets entstehanden sind. So haben die traditionellen Medien ihre klassische Gate-Keeper-Funktion verloren. Sie bestimmen also nicht mehr darüber, was an die Öffentlichkeit gelangt und haben weniger Kontrolle über die Themen, die debattiert werden. Generell werden gesellschaftliche Debatten heutzutage dissonanter geführt, sagt Prof. Dr. Barbara Pfetsch. Vereinfacht ausgedrückt ist damit gemeint, dass Meinungen parallel zueinander veröffentlicht werden, ohne sich direkt aufeinander zu beziehen. Es gibt also zwar eine größere Meinungsvielfalt in der Öffentlichkeit, häufig wird allerdings aneinander vorbei statt miteinander geredet.

Die sozialen Medien eröffnen dabei aber ebenfalls neue Teilnahmemöglichkeiten und damit auch Raum für neue Protestformen.

„Vor allen Dingen durch Social Media gibt es eine größere Teilnehmer*innenschaft an öffentlichen Debatten, dadurch hat quasi eine Demokratisierung der Debatte stattgefunden.“

Dr. Karsten Schubert, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Eine dieser neuen Protestformen ist ein Phänomen, das oft mit dem Begriff ‘Cancel Culture’ umschrieben wird.

Neben dem Begriff “Cancel Culture” fallen in Diskussionen um den Zustand der Debattenkultur häufig ebenfalls die Begriffe “Political Correctness” oder “Echo Chamber”. Begriffen wie diesen hat Die Debatte zwei Erklärvideos gewidmet, die auf unserem YouTube-Kanal angeschaut werden können.

Wörtlich lässt sich ‚Cancel Culture‘ als Kultur des Absagens, Rückgängigmachens oder Streichens übersetzen. Allerdings gibt es keine einheitliche Definition: „Begrifflich ist ‚Cancel Culture‘ gar nicht so klar gefasst. Der Begriff wird momentan für ganz unterschiedliche Fälle benutzt”, sagt Prof. Dr. Christian Bermes. Unter Wissenschaftler*innen führt dieses Phänomen zu Kontroversen. So warnt der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes Prof. Dr. Bernhard Kempen im Interview vor einer “Aushöhlung der Wissenschaftsfreiheit von innen heraus”. Andere, wie Prof. Dr. Andrea Geier, halten dies für “falschen Alarmismus”.

Solche Aushandlungsprozesse haben dabei immer auch eine politische Komponente. „Sprache ist insofern politisch, als es eigentlich keine objektive Sprache gibt, die nur Sachverhalte widerspiegelt. Sobald es um komplexe Dinge geht, drücken wir mit Sprache immer auch unsere eigene Perspektive aus”, sagt Prof. Dr. Thomas Niehr. Die Sprache selber ist dabei durch Strukturen und Konventionen reguliert, die von den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft diskursiv ausgehandelt werden.

Bei den meisten Themen kommt die gesellschaftliche Debatte irgendwann zu einem (vorläufigen) Ende, weil neue Dinge entdeckt werden und neue Skandale ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. “Das Ende einer Debatte kann möglicherweise ein Problem auch nur aufschieben und in die Zukunft verlegen. Andere Debatten wiederum können zu einem Konsens führen, also einer Übereinstimmung beziehungsweise einer Lösung”, sagt Prof. Dr. Klaus Kamps.

Sicher ist jedoch, dass die Debatte darüber, wie wir als Gesellschaft überhaupt miteinander debattieren und diskutieren, jede andere gesellschaftliche Debatte auch in Zukunft begleiten wird.

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