Aufgrund des Krieges in der Ukraine wird aktuell über einen Importstopp von russischem Erdgas diskutiert. Was würde das für uns in den nächsten Wochen, den kommenden Jahren und langfristig bedeuten? Die Situation macht deutlich, wie abhängig Deutschlands Energieversorgung ist. Vor diesem Hintergrund ergeben sich die Fragen: Wie sieht unsere Energieversorgung in Zukunft aus? Wie können wir weniger Abhängigkeit und mehr Klimafreundlichkeit erreichen? Die Debatte hat mit Expert*innen aus der Wissenschaft gesprochen: Über die Auswirkungen eines Embargos, mögliche alternative Energiequellen und Perspektiven für die Energiewende.
Zu Beginn der Debatte gab es einen Überblick über die Energieversorgung in Deutschland in einem Listicle. Es wurde deutlich, wie abhängig Deutschland – vor allem bei der Wärmeversorgung – von russischem Erdgas ist: 55,2% der deutschen Erdgasimporte kommen aus Russland. Die Nationalakademie Leopoldina und das Exzellenzcluster ECONtribute haben Stellungnahmen zu den Auswirkungen eines Importstopps von russischem Gas veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der Erkenntnisse ist hier zu finden. Beide Studien sehen ein Embargo kurzfristig wenig kritisch, bewerten jedoch die Situation im Winter als besorgniserregend – vor allem für die Industrie. Das betont auch Prof. Dr.-Ing. Thomas Kolb vom KIT und geht im Interview auf Maßnahmen sowie mögliche Alternativen ein. Ausführlich mit den Auswirkungen eines Embargos auf die Industrie, beschäftigt sich der Artikel „Zusammenbruch oder Chance“.
Bisher zu kurz in der Diskussion um ein Embargo kommen die „mittel- bis langfristigen geopolitischen und sozialen Folgen unseres aktuellen Handelns“, sagt Dr. Jacopo Maria Pepe im Interview. Er weist auf mögliche geopolitische Folgen des Embargos hin: Veränderungen im Verhandlungsspielraum mit Russland, technologischer Wettbewerb mit den USA oder China um Alternativen und Lieferungen von LNG aus Katar. Dadurch würden wiederum neue Abhängigkeiten entstehen.
Die Expert*innen betrachten vor allem erneuerbare Energie als Möglichkeit, unabhängiger von Russland – sowie fossilen Energieträgern allgemein – zu werden. Über Folgen eines Embargos für die Energiewende sprechen Prof. Dr. Detlef Stolten vom Forschungszentrum Jülich und Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, der das Projekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) leitet, in Interviews. Sie sind sich beide einig, dass ein schnellerer Ausbau von erneuerbaren Energien notwendig ist.